Jaroslav Rudiš

Autor
geboren 1972, studierte Germanistik, Geschichte und Journalistik in Liberec, Prag und Berlin. Er schreibt Romane, Hörspiele, Drehbücher, und Theaterstücke auf Tschechisch und Deutsch, außerdem ist er als Journalist für Medien wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung,  Süddeutsche Zeitung, den Tschechischen Rundfunk und andere tätig. Seine Werke wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt. Neben seinen eigenen literarischen Arbeiten hat er zusammen mit dem Zeichner Jaromír 99 eine Comictrilogie über den Bahnwärter Alois Nebel verfasst, der im tschechisch-polnischen Grenzgebiet lebt und dem immer wieder Züge aus der Vergangenheit erscheinen, die ein Porträt des 20. Jahrhunderts entstehen lassen. Die Verfilmung von „Alois Nebel“ wurde 2012 mit dem Europäischen Filmpreis (Kategorie: Bester Animationsfilm) ausgezeichnet.  Als Musiker spielen Jaromír 99 und Jaroslav Rudiš zusammen in der Kafka Band, die Texte von Franz Kafka musikalisch bearbeitet und in Konzerten und Theaterabenden auf Tschechisch und Deutsch neu erlebbar macht. So wie Jaroslav Rudiš in seinem Werk die Grenzen zwischen den Künsten beständig verwischt und überschreitet, zeichnen sich auch die Figuren seiner Romane als Grenzgänger aus. Sie tauschen ihr bürgerliches tschechisches Leben gegen die Mitgliedschaft in einer Berliner Punk-Rock-Band (DER HIMMEL UNTER BERLIN, 2002), sie beharren darauf ihre Heimatstadt zu verlassen, auch wenn sie zuvor Jahrzehnte am Ortsausgangsschild scheiterten (GRANDHOTEL, 2006) oder prallen aus einer Vielzahl von Ländern und Kontinenten kommend in Prag aufeinander (DIE STILLE IN PRAG, 2007). Rudiš entwirft immer wieder breitgefächerte Panoramen, die ausgehend von tschechischen Lebensläufen viel über die letzten hundert Jahre zentral- und osteuropäischer Geschichte erzählen, aber auch bis an die Gentrifizierungsprozesse der Gegenwart heranreichen, wenn eine Punk-Bar geschlossen werden muss, weil sie die Kleinfamilien stört (VOM ENDE DES PUNKS IN HELSINKI, 2010) oder Vandam sich jenseits des Zentrums in der Prager Nordstadt sein ganz individuelles und höchst widersprüchliches Europa-Bild erschafft (NATIONALSTRASSE, 2013). Grenzen und der Umgang mit ihnen – als Durchlässigkeit und Offenheit gegenüber Neuem, aber auch Abgrenzung und Angst vor dem Anderen – ziehen sich als zentrale Themen durch Rudiš' Werk.
Nach der Eröffnung der Spielzeit 2017/2018 mit der Bühnenadaption seines Romans NATIONALSTRASSE im Kleinen Haus ist ANSCHLUSS sein erstes Auftragswerk für das Staatsschauspiel Dresden.