Wenn es um alles geht: Politischer Protest zwischen Wirksamkeit und Hass
eine Kooperation von Weiterdenken – Heinrich-Böll-Stiftung Sachsen, der Professur für Politikwissenschaft / Internationale Politik der TU Dresden sowie dem Staatsschauspiel Dresden

Handlung
Politischer Protest gehört zu unserer Demokratie. Die Wahl der Mittel verändert sich ständig und findet unterschiedlichen Widerhall. Dabei spielt auch ziviler Ungehorsam immer wieder eine tragende Rolle. Die Bilder von Widerstand, Blockaden und Demonstrationen sind überall präsent und sind Teil politischer Auseinandersetzung. Dieses „unkonventionelle politische Verhalten“ steht mit Fokus auf aktuelle Klimabewegungen in unserer Reihe zur Debatte. Warum und wie handeln Protestierende, wenn es um „um alles“ geht? Welche politischen und gesellschaftlichen Reaktionen gibt es? Wir untersuchen in der Diskussionsreihe Schnittstellen zwischen Protest, Politik und Kultur, fragen nach Solidarisierungen und Brüchen, blicken auf Kämpfe und Kompromisse, Anspruch und Wirkung, auf Generationenfragen und Potentiale.
Termine
Die politischen Bewegungen der Klimaschützer*innen sind stärker und internationaler als je zuvor. Bisweilen werden auch radikalere Mittel gewählt, um mehr Aufmerksamkeit zu erreichen. Aktionen wie das Festkleben auf Straßen oder das Zudrehen von Ölleitungen bergen persönliche Risiken für die Aktivist*innen und sind hierzulande hoch umstritten. Aktivist*innen im globalen Süden, die für Umwelt- und Menschenrechte kämpfen, erfahren ein kaum vergleichbares Maß an Bedrohung und Gewalt.
Die Stimmung ist aufgeheizt, das Meinungsspektrum polarisiert. Besonders rechtsautoritäre Bewegungen und Parteien weltweit nutzen die Klimaproteste zur politischen Mobilisierung für ihre Zwecke. Wir werfen einen genaueren Blick auf Ziele verschiedener Bewegungen und die sie begleitenden Debatten. Wo bestehen Anknüpfungspunkte bei Institutionen und in der breiten Gesellschaft? Woher kommen autoritäre Reaktion und Hass auf den Umweltaktivismus und wie gehen die Beteiligten damit um? Wie gleichen und unterscheiden sich Debatten und Aktionen international? Wie verorten sie sich in der repräsentativen Demokratie?
Mit: Dr. Manès Weisskircher, Leiter der Forschungsgruppe „REXKLIMA Rechtsextremismus versus Klimaschutz? Nationalistische Opposition in einem transnationalen Politikfeld“ am Institut für Politikwissenschaft der TU Dresden und am Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung, Dr. Maria Cecilia Oliveira, Leiterin der transdisziplinären Forschungsgruppe „Demokratische Governance für ökopolitische Transformationen“ (EcoPol) am Research Institute for Sustainability in Potsdam (Der Input von Dr. Oliveira findet auf Englisch statt. Eine Übersetzung steht zur Verfügung.)
Die politischen Parteien reagieren sehr unter schiedlich auf die aktuellen Protestaktionen von Klimabewegungen. Die Antworten reichen von von „Knast fürs Kleben“ bis zu Verständnis. Aber wie übersetzt sich der politische Protest in das konkrete Handeln der Parteien? Welche Enttäuschungen scheinen vorprogrammiert? Wo ziehen Protestierende und Parteien jeweils ihre roten Linien? Gibt es überhaupt konstruktiven Austausch oder haben die Bewegungen die Parteien bereits als handlungswillige Akteur*innen abgeschrieben? Eine besondere Rolle nehmen dabei Bündnis 90/Die Grünen ein, die selber aus Protestbewegungen entstanden sind und jetzt mit einer Beziehungskrise mit bisher Verbündeten umgehen müssen. Aber auch alle anderen demokratischen Parteien müssen über ihren Umgang mit Protest und ihre Funktion als Gatekeeper zu politischer Macht reflektieren und sich der Kritik stellen.
Wir diskutieren über Gräben und Brücken zwischen Klimabewegungen und Parteien, was Protestaktionen und Absetzbewegungen langfristig bewirken und welche Perspektiven für gemeinsame Zielsetzungen existieren.
Mit: Lucie Hammecke, MdL, Bündnis 90/Die Grünen im Sächsischen Landtag, Matthias Lüth, Co-Vorsitzender der JUSOS Dresden, Karla Kasper und Konstanze Teller, Letzte Generation
Die Wurzeln politischer Protestbewegungen scheinen derzeit Lichtjahre vom international und digital vernetzen Aktivismus entfernt. Schnelligkeit und Öffentlichkeit haben sich massiv potenziert, der Protest via Handy findet immer neue, effektive Formen und jüngere Zielgruppen. Und trotzdem bleiben auch Bilder und Protestformen gleich: Die Bilder von Demonstrationen und Blockaden, vom Unterhaken und Ankleben, von David gegen Goliath. Aber wer nutzt welche Plattformen und Bildsprachen mit welchem Ziel? Welche Strategien erweisen sich als politisch aktivierend, und wo werden Bilder mächtig?
Im Gespräch fragen wir auch nach den Brücken zwischen den Zielen und Formen des Protests damals und heute: Wie hat sich das Repertoire des „unkonventionellen politischen Verhaltens“ im aktuellen politischen Aktivismus verändert? Gibt es eine Konstante zwischen der friedensbewegten Flüsterpost und der Klima-Telegram-Gruppe? Finden alte und junge Protestierende noch Gesprächskanäle und eine gemeinsame (Bild-)Sprache? Was sind die Konstanten im gesellschaftlichen Diskurs rund um politischen Aktivismus?
Mit: Tanja-Bianca Schmidt M.A., wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fachbereich Kunstgeschichte der TU Dresden, DFG-Projekt „Bildproteste in den Sozialen Medien“, Johanna Schöbel Grüne Jugend Sachsen, Stefan Schönfelder, Umweltbewegung in der DDR, Grüne LIGA bis 1997, politische Bildung bis 2020
Das Bundesverfassungsgericht hat 2021 in einem bahnbrechenden Urteil festgestellt: Klimaschutz darf nicht länger in die Zukunft und damit einseitig zu Lasten der Grund- und Freiheitsrechte junger Generationen hinausgezögert werden. Die Klimaproteste der Jugend tragen langsam Früchte – zu langsam? Die Beteiligung der Jungen, gerade im Bereich der Klimapolitik, ist auf allen Entscheidungsebenen ein Muss. Denn die Wut wächst, auf ein gnädiges „Angehörtwerden“ ohne Wirkung verzichten immer mehr. Dabei stellt sich auch die Frage nach den tatsächlichen Spielräumen der Politik und der Rolle wirtschaftlicher Machtverhältnisse. Ohne eine klare Agenda, auch und gerade in den internationalen politischen Organisationen, wird der Paradigmenwechsel kaum vorankommen.
Aber wie kommen wir zu mehr und vor allem zu verbindlicher Teilhabe der jungen Generation? Welche Barrieren und Widerstände gibt es bei den Akteur*innen der Politik? Welche guten Beispiele gibt es auf lokaler und globaler Ebene?
Mit: Prof. Dr. Anna Holzscheiter, Professur für Politikwissenschaft mit dem Schwerpunkt Internationale Politik der TU Dresden, Julian A. Hettihewa, Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Doktorand am Institut für Völkerrecht der Universität Bonn, Emilia Luisa Schulz und Tyran Sobadky, Fridays for Future Dresden
Kultur und Protest stehen in einer spannungsvollen Wechselbeziehung. Politische Proteste werden aufgegriffen, künstlerisch interpretiert, verarbeitet und öffentlich gemacht. Andersherum sucht sich der politische Protest künstlerische Ausdrucksformen – bisweilen wird auch Kunst attackiert, um größtmögliche Aufmerksamkeit zu erreichen. Besonders Theater sind Orte sozialer Fantasie. Sie geben ästhetische, künstlerische und inhaltliche Impulse in eine sich wandelnde Gesellschaft.
Wie gehen Einrichtungen der Kunst und Kultur mit den aktuellen Protesten um? Was bewegt sie institutionell und in ihren Werken? Geben sie etwas an die Protestierenden zurück und wo grenzen sie sich ab? Was, wenn sie und ihre Werke selber Ziel von Protest werden?
Mit: Volker Lösch (Regisseur), Dr. Jörg Bochow (Chefdramaturg des Staatsschauspiels Dresden), Artists for Future (angefragt), Prof. Dr. Kerstin Schankweiler, Professur für Bildwissenschaft im globalen Kontext, TU Dresden
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eine Kooperation von Weiterdenken – Heinrich-Böll-Stiftung Sachsen, der Professur für Politikwissenschaft/Internationale Politik der TU Dresden sowie dem Staatsschauspiel Dresden
