Premiere 18.09.2009 › Schauspielhaus

Wilhelm Meisters Lehrjahre

von Johann Wolfgang von Goethe
Auf dem Bild: Thomas Leboeg (Kante), Florian Dürrmann (Kante), Felix Müller (Kante), Sebastian Vogel, Sonja Beißwenger, Thomas Braungardt, Thomas Eisen, Rosa Enskat, Christian Friedel, Albrecht Goette, Olivia Grigolli, Picco von Groote, Matthias Luckey
Foto: Matthias Horn
Auf dem Bild: Sonja Beißwenger, Thomas Braungardt, Christian Friedel
Foto: Matthias Horn
Auf dem Bild: Rosa Enskat, Christian Friedel, Olivia Grigolli, Picco von Groote
Auf dem Bild: Peter Thiessen, Sonja Beißwenger, Thomas Braungardt, Rosa Enskat, Christian Friedel, Albrecht Goette, Picco von Groote, Matthias Luckey
Foto: Matthias Horn
Auf dem Bild: Sonja Beißwenger, Thomas Braungardt, Thomas Eisen, Rosa Enskat, Christian Friedel, Albrecht Goette, Olivia Grigolli, Picco von Groote, Matthias Luckey
Foto: Matthias Horn
Auf dem Bild: Sonja Beißwenger, Thomas Braungardt, Thomas Eisen, Rosa Enskat, Christian Friedel, Olivia Grigolli, Matthias Luckey
Foto: Matthias Horn
Auf dem Bild: KANTE
Foto: Matthias Horn
Auf dem Bild: Peter Thiessen, Lutz Großmann, Christian Friedel, Albrecht Goette
Foto: Matthias Horn
Auf dem Bild: Thomas Braungardt, Thomas Eisen, Rosa Enskat, Christian Friedel, Albrecht Goette, Olivia Grigolli
Auf dem Bild: Sonja Beißwenger, Rosa Enskat, Christian Friedel, Olivia Grigolli, Picco von Groote, Matthias Luckey
Foto: Matthias Horn
Auf dem Bild: Lutz Großmann, Christian Friedel, Ulrike Langenbein
Foto: Matthias Horn

Handlung

Wilhelm Meister stürzt sich mit großer Lust und Neugier ins Leben, er schwankt und stolpert, erhebt sich wieder und macht sich erneut auf seinen Weg, ohne zu wissen, wohin dieser ihn führen wird. Im kindlichen Puppenspiel entdeckt er seine Leidenschaft fürs Theater, die ihn nicht mehr loslässt. Die Liebe zu einer Schauspielerin lässt ihn träumen von einer gemeinsamen Bühnenzukunft, bis er sich von ihr betrogen fühlt und aufbricht von zu Hause in die unbekannte Welt. Dem elterlichen Wunsch, dass er Kaufmann werden möge, kann er nicht Folge leisten, weil er sich verführen lässt von den Spielen des Lebens und so verläuft seine Suche nach einer Bestimmung unstet zwischen Spiel und Ernst, zwischen Bühne und Leben.
Vom Puppenspiel über Stegreifkomödien und Gaukelei bis hin zu einer Aufführung des Hamlet und dem Traum von einem Nationaltheater ist Wilhelm Meisters Weg auch ein Weg durch die Geschichte des Theaters und dessen Möglichkeiten und Spielweisen. Ein gemischtes Ensemble aus Schauspielern, Puppen und Musikern wird diese Vielfalt der Spielmöglichkeiten auf die Bühne des Schauspielhauses bringen.
Die Regisseurin Friederike Heller inszenierte unter anderem am Staatstheater Stuttgart, Schauspiel Frankfurt, am Thalia Theater Hamburg und am Wiener Burgtheater. Sie verantwortete mehrere Uraufführungen von Peter Handke und gilt als Spezialistin für die Dramatisierung von Romanstoffen (u. a. von Houellebecq und Thomas Mann) und führt diese Reihe nun in Dresden mit Goethes großem Bildungs- und Entwicklungsroman fort. Die Musik wird komponiert und live gespielt von der Hamburger Band Kante.

Besetzung

Regie
Friederike Heller
Bühne und Kostüme
Sabine Kohlstedt
Musik
Kante
Puppenbau
Lutz Großmann, Ulrike Langenbein
Licht
Michael Gööck
Dramaturgie
Martin Heckmanns, Robert Koall
Philine/Lydie
Sonja Beißwenger
Laertes/Friedrich
Thomas Braungardt
Werner/Jarno
Aurelie/Die Unbekannte
Rosa Enskat
Wilhelm Meister
Die alter Barbara/Serlo/Abbé
Mariane/Gräfin/Natalie
Olivia Grigolli
Madame Melina/Therese
Picco von Groote
Melina/Graf/Der Unbekannte
Matthias Luckey
Der Harfner / Band Kante - voc, git
Peter Thiessen
Mignon
Ines Marie Westernströer
Lutz Großmann
Puppenspielerin
Ulrike Langenbein
Band Kante - b
Florian Dürrmann
Band Kante - key, tp
Thomas Leboeg
Band Kante - git
Felix Müller
Band Kante - dr
Sebastian Vogel

Video

Über das Stück

Wider den gegenwärtigen Pragmatismus

Der Dramaturg Martin Heckmanns im Gespräch mit der Regisseurin Friederike Heller
Heckmanns: Wilhelm Meisters Lehrjahre ist eine überbordende Geschichte mit zahlreichen Abwegen und Abschweifungen, flüchtigen Begegnungen, Liebschaften und Liebeleien und einem unübersichtlichen Personal. Es ist ein bis heute umstrittener Text und ein historisch aufgeladenes Buch, das die Tradition des Bildungsromans wesentlich geprägt hat. Kein leichter Stoff also. Was hat Sie dennoch gereizt, dieses Werk auf die Bühne zu bringen?
Heller: Für mich stand die Figur des Wilhelm Meister im Mittelpunkt, dieser etwas unbedarfte junge Mann, der es gut meint und in die Welt zieht, um sich zu entwickeln. Allein diese Bemühung, sich bilden zu wollen zu einem harmonischen Ganzen, finde ich heutzutage schon wert, erinnert zu werden. Dieser Wilhelm hat mich auch gereizt, weil ich mich gut identifizieren kann mit seinem Wunsch, auszubrechen aus Familienzusammenhängen, aufzubegehren gegen die Vorschriften der ökonomischen Vernunft. Ich habe mich erinnert an meine eigene Entscheidung fürs Theater und gegen einen bürgerlichen Beruf. Und obwohl mir dieser Aufbruchsimpuls bekannt ist, scheint er in Goethes Sprache und der Welt von damals zuerst einmal weit entfernt, und ich musste bei der Lektüre ständig in meine Verhältnisse übersetzen. Mich hat interessiert, wie diese Übersetzung für die Bühne funktioniert. In erster Linie aber gehe ich gerne mit dieser Figur auf die Reise. Das ist eine Geschichte über einen Theaterbegeisterten, und die muss aufs Theater.

Ist Wilhelms Art der Theaterbegeisterung denn eine, die wir heute noch teilen können?
Ich sowieso. Aber ich glaube, auch Menschen, die keine Theaterexperten sind, können einsteigen, da es beim Theaterthema untergründig immer um Gesellschaft, ums große Ganze, um Idealismus und Desillusionierung geht. Außerdem ist im Laufe des Romans für jeden eine Theaterform dabei. Wilhelm fängt Feuer beim Puppenspiel, es ist die Rede von Seiltänzern, dann lernt er eine ziemlich chaotische Laienspielgruppe kennen, es gibt Stegreiftheater, und schließlich werden ziemlich ausführlich die Bearbeitungsprobleme und Proben des Hamlet beschrieben, mit einer Theatergruppe, die als eine der besten in Deutschland charakterisiert wird. Und immer wieder taucht die Vision eines Nationaltheaters auf. Das Angebot reicht also vom Unterhaltungstheater bis zur höchsten Kunst. Das will ich auch für die Inszenierung versuchen, unterschiedliche Spielweisen und Theaterformen aufeinandertreffen zu lassen.

Obwohl Wilhelm Meister Erfolg hat auf der Bühne, wendet er sich am Ende vom Theater ab, wird Vater und heiratet. Wie kommt es zu diesem Abschied?
Das ist ein Schmerzpunkt. Wilhelm hört auf, Theater zu machen, und wird selbst zu einer Figur im Spiel seiner Lenker. Das Leben beginnt, wenn er das Theater verlässt. Erst seine Erfahrungen auf dem Theater haben ihn zu sich gebracht. Aber er bleibt auch danach ein Geführter. Irgendwie bleibt es immer Theater. Wilhelm bewegt sich weiter auf einer Bühne, und er wird weiter beobachtet von einer Geheimgesellschaft oder einer göttlichen Vorsehung. Obwohl er sich am Ende vom Theater verabschiedet, sind die letzten Kapitel des Romans die am leichtesten zu dramatisierenden. Goethe selbst hat über ein Opernfinale nachgedacht. Der Schluss ist ihm fast boulevardesk geraten, mit den schnellen Vermählungen am Ende, den nachgereichten Vorgeschichten und den vielen Briefwechseln. Tür auf, Tür zu, Bote rein, Bote raus, doch alles anders, doch noch geheiratet.
Der Roman nimmt zum Ende eine überraschende Wendung. Wilhelm erfährt, dass er unter Beobachtung stand auf seinem Weg. Er trifft auf eine Gemeinschaft erfahrener Männer, die ihm seinen Weg erklären, Ratschläge erteilen und einen Brief überreichen, der seine Lehrjahre abschließt. Wer sind diese Männer?
Ich konnte es erst nicht glauben, dass diese Turmgesellschaft und die Vorstellung, von einer fremden Macht geleitet zu werden, bei Goethe positiv konnotiert sind. Es fällt mit den Erfahrungen des 20. Jahrhunderts schwerer, nicht sofort an Propaganda und die Entmündigung des Einzelnen zu denken. Hier ist es besonders naheliegend, auf der Bühne eine Aktualisierung zu versuchen und die Turmgesellschaft zu einer politischen Organisation der Zeitgeschichte zu machen, aber mir geht es eher darum, herauszufinden, was das innerhalb des Romans zu bedeuten hat.

Was verbindet den Roman mit unserer Gegenwart?
Das In-die-Irre-Gehen scheint mir ein modernes Element. Wilhelm nimmt verschiedene Anläufe, scheitert und versucht es erneut. Der Roman fängt immer neu an mit Personal, das wie ausgewechselt erscheint, und auch am Schluss löst sich nicht alles auf. Der Roman hat viele lose Enden. Da will ich auch keine falsche Harmonie herstellen. Er ist auch die Geschichte einer Desillusionierung. Und diese Desillusionierungen wiederzufinden in der Gegenwart scheint mir ein Leichtes. Die äußern sich heute in diesem schnoddrigen Pragmatismus, der an nichts mehr glaubt. Gerade deshalb meine ich, dass es notwendig ist, den Idealisten des Anfangs stark zu machen und die Aussicht, dass es lohnend sein kann, sich auf den Weg zu machen, egal wohin.

Sie haben schon einige Erfahrung mit der Dramatisierung von Prosatexten. Wie gehen Sie bei der Bearbeitung vor?
In diesem Fall ist natürlich ein Lebensweg die Orientierung. Und man muss von Station zu Station entscheiden, was einem wichtig erscheint für die Entwicklung. Das Streben nach sittlichem Sein mag in unseren Ohren antiquiert klingen, aber das ist für mich das rührende und wiederzubelebende Element. Anstand und Sitte sind keine leeren Begriffe, und ich bin gespannt, wie sie sich in die Gegenwart übertragen lassen.

Weniger wahrscheinlich noch als ein Theaterstück gibt ein Roman Vorgaben, wie eine Aufführung auf der Bühne auszusehen hat. Speziell in diesem Roman stehen unterschiedliche Welten fast unverbunden nebeneinander, und nur der Protagonist hält die Geschichte zusammen. Können Sie schon sagen, was Sie in der Inszenierung vorhaben?
Für mich ist das Puppenspiel ein zentrales Bild. Daran entzünden sich Wilhelms Fantasie und seine Begeisterung fürs Theater. Am Ende wirkt Wilhelm selbst wie eine Marionette in den Händen einer Geheimgesellschaft. Und auch diese wiederum bewegt sich nach den Vorgaben des Erzählers. Darum soll es gehen, um das Spielen und das Gespieltwerden. Und das Politische des Romans ist erstaunlich zugänglich. Es wird wirklich noch einmal versucht, sich über die Grundbegriffe zu verständigen, wozu der Mensch da ist, was Erziehung bewirken kann, was Verantwortung und Gemeinschaft sein können. Dass diese existenziellen Fragen aufgeworfen werden, finde ich enorm wichtig, um sich gegen diesen gegenwärtigen Pragmatismus zu positionieren